Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld bei erneu­ter Schwan­ger­schaft wäh­rend der Elternzeit

Der Anspruch auf Mut­ter­schafts­geld ent­fällt nicht für den gesam­ten Zeit­raum der Schutz­fris­ten, wenn das Arbeits­ver­hält­nis bei Beginn der Schutz­frist des § 3 Abs. 2 MuSchG wegen Eltern­zeit geruht hat. Der Anspruch auf Mut­ter­schafts­geld ist nur bis zum Ende der Eltern­zeit ausgeschlossen.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG erhal­ten u.a. Frau­en, die Anspruch auf Mut­ter­schafts­geld nach § 200 Abs. 1 RVO haben, wäh­rend ihres bestehen­den Arbeits­ver­hält­nis­ses für die Zeit der Schutz­fris­ten des § 3 Abs. 2 MuSchG und des § 6 Abs. 1 MuSchG sowie für den Ent­bin­dungs­tag von ihrem Arbeit­ge­ber einen Zuschuss in Höhe des Unter­schieds­be­trags zwi­schen 13,00 Euro und dem um die gesetz­li­chen Abzü­ge ver­min­der­ten durch­schnitt­li­chen kalen­der­täg­li­chen Arbeitsentgelt. 

Bis wann die zustän­di­ge Kran­ken­kas­se Mut­ter­schafts­geld geleis­tet hat, ist ohne Belang. Die Bezugs­dau­er des Zuschus­ses zum Mut­ter­schafts­geld ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG aus­drück­lich auf die Zeit der Schutz­fris­ten und den Ent­bin­dungs­tag bestimmt. Zudem ist die tat­säch­li­che Zah­lung von Mut­ter­schafts­geld durch die Kran­ken­kas­se nicht anspruchsbegründend.

Gemäß § 14 Abs. 4 MuSchG ent­fällt der Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld für die Zeit, in der die Frau – ohne eine zuläs­si­ge Teil­zeit­ar­beit zu leis­ten – Eltern­zeit in Anspruch nimmt. Dabei ist es nach Ansicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts kei­nes­falls so, das nach § 16 BEEG die Eltern­zeit frü­hes­tens im Anschluss an die Schutz­frist des § 6 Abs. 1 MuSchG genom­men wer­den kann. Die Eltern­zeit beginnt grund­sätz­lich mit dem ange­zeig­ten, also von der Mut­ter oder dem Vater gewähl­ten Zeit­punkt , der auch inner­halb der Schutz­frist lie­gen kann.

Trotz der lau­fen­den Eltern­zeit besteht zwi­schen der Arbeit­neh­me­rin und dem Arbeit­ge­ber ein Arbeits­ver­hält­nis. Die Inan­spruch­nah­me von Eltern­zeit führ­te nicht zur Been­di­gung des Arbeits­ver­hält­nis­ses, son­dern nur zum Ruhen der sich aus dem Arbeits­ver­trag erge­ben­den wech­sel­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten. Mit der Been­di­gung der Eltern­zeit sind die bei­der­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten wie­der aufgelebt.

Der Anspruch auf Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld ent­fällt nicht des­halb, weil die wech­sel­sei­ti­gen Haupt­leis­tungs­pflich­ten bei Beginn der Schutz­frist des § 3 Abs. 2 MuSchG wegen der Inan­spruch­nah­me von Eltern­zeit ruh­ten. Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt für ein Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses wegen unbe­zahl­ten Son­der­ur­laubs bereits ent­schie­den. Für das Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses wegen der Inan­spruch­nah­me von Eltern­zeit gilt dies erst recht.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 MuSchG ent­fällt der Zuschuss nach den Absät­zen 1 bis 3 (nur) für die Zeit, in der Frau­en Eltern­zeit in Anspruch neh­men. Dar­aus folgt im Umkehr­schluss, dass der Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld nicht – mehr – ent­fällt, wenn die Eltern­zeit been­det ist.

Auch der Zusam­men­hang der gesetz­li­chen Vor­schrif­ten zeigt, dass ein Ver­gü­tungs­an­spruch bei Beginn der Schutz­fris­ten nicht maß­ge­bend ist.

Sowohl § 14 Abs. 1 MuSchG als auch § 200 Abs. 2 RVO stel­len nur auf den Bestand eines Arbeits­ver­hält­nis­ses, nicht auf einen Ver­gü­tungs­an­spruch bei Beginn der Schutz­frist ab. Die letz­ten drei abge­rech­ne­ten Kalen­der­mo­na­te müs­sen der Schutz­frist nicht unmit­tel­bar vor­an­ge­gan­gen sein. § 14 Abs. 1 Satz 6 MuSchG lässt unter den dort genann­ten Vor­aus­set­zun­gen sogar eine Berech­nung nach dem durch­schnitt­li­chen kalen­der­täg­li­chen Ent­gelt einer gleich­ar­tig Beschäf­tig­ten zu. Zudem sieht § 200 Abs. 2 Satz 5 RVO auch dann einen Anspruch auf Mut­ter­schafts­geld vor, wenn das Arbeits­ver­hält­nis erst wäh­rend der Schutz­frist beginnt; der Anspruch besteht dann ab dem Beginn des Arbeits­ver­hält­nis­ses. Dem­entspre­chend erhal­ten Frau­en, die wäh­rend der Schutz­fris­ten von einem Beam­ten- in ein Arbeits­ver­hält­nis wech­seln, von die­sem Zeit­punkt an Mut­ter­schafts­geld (§ 13 Abs. 3 MuSchG). Nach § 13 Abs. 2 Satz 3 MuSchG wird eben­falls kein Arbeits­ver­hält­nis bei Beginn der Schutz­frist vor­aus­ge­setzt. Der Anspruch auf Mut­ter­schafts­geld besteht selbst dann, wenn das Arbeits­ver­hält­nis bereits zuvor wäh­rend der Schwan­ger­schaft nach Maß­ga­be von § 9 Abs. 3 MuSchG auf­ge­löst wor­den ist.

Dass der Anspruch auf Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld nicht für den gesam­ten Zeit­raum der Schutz­fris­ten aus­ge­schlos­sen ist, wenn die Arbeit­neh­me­rin zu Beginn der Schutz­fris­ten noch in Eltern­zeit war, ent­spricht dem Sinn und Zweck des § 14 MuSchG. Der Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld ver­folgt nicht, zumin­dest nicht pri­mär, das Ziel, der schwan­ge­ren Arbeit­neh­me­rin den bis­he­ri­gen Lebens­stan­dard zu sichern. Viel­mehr soll durch die Kom­bi­na­ti­on von Mut­ter­schafts­geld und Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld die wer­den­de Mut­ter wäh­rend der Beschäf­ti­gungs­ver­bo­te kurz vor und nach der Ent­bin­dung finan­zi­ell so abge­si­chert wer­den, dass für sie kein Anreiz besteht, unter Inkauf­nah­me von gesund­heit­li­chen Gefähr­dun­gen zum Zwe­cke der Exis­tenz­si­che­rung zu arbeiten.

Zudem gebie­tet Uni­ons­recht, den Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld nicht gänz­lich zu ver­sa­gen, wenn die wer­den­de Mut­ter zu Beginn der Schutz­frist noch in Eltern­zeit war.

Nach der Recht­spre­chung des Euro­päi­schen Gerichts­hofs steht Uni­ons­recht natio­na­len Vor­schrif­ten ent­ge­gen, die einer Frau nicht gestat­ten, auf Antrag eine Ände­rung des Zeit­raums ihres Eltern­ur­laubs in dem Moment zu erwir­ken, in dem sie ihre Ansprü­che auf Mut­ter­schafts­ur­laub gel­tend macht, und ihr so die mit dem Mut­ter­schafts­ur­laub ver­bun­de­nen Rech­te neh­men. Dann ist es aber erst recht nicht mit Art. 8 Abs. 1, Art. 11 Nr. 2 b Richt­li­nie 92/85/EWG, die einen bezahl­ten Mut­ter­schafts­ur­laub von min­des­tens 14 Wochen vor­se­hen, zu ver­ein­ba­ren, einen Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld für den gesam­ten Bezugs­zeit­raum nur des­halb zu ver­sa­gen, weil die wer­den­de Mut­ter zu Beginn der Schutz­fris­ten noch in Eltern­zeit war.

Aller­dings ver­lan­gen weder der mit § 14 MuSchG ver­folg­te Zweck, noch die Richt­li­nie 92/85/EWG, die nach ihren Erwä­gun­gen die mit dem Arbeits­ver­trag ver­bun­de­nen Rech­te gewähr­leis­ten will, der schwan­ge­ren Arbeit­neh­me­rin einen finan­zi­el­len Vor­teil zu ver­schaf­fen, den sie ohne die Schwan­ger­schaft nicht gehabt hät­te. Auch nach der durch die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 18.11.2003 (BVerfGE 109, 64) ver­an­lass­ten Aus­deh­nung des Umla­ge­ver­fah­rens auf alle Betriebs­grö­ßen durch das Gesetz über den Aus­gleich der Arbeit­ge­ber­auf­wen­dun­gen für Ent­gelt­fort­zah­lung (Auf­wen­dungs­aus­gleichs­ge­setz – AAG), nach des­sen § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Arbeit­ge­ber den nach § 14 Abs. 1 MuSchG gezahl­ten Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld von der Kran­ken­kas­se erstat­tet erhält, ist der Anspruch auf Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld sei­ner Rechts­na­tur nach wei­ter­hin ein gesetz­lich begrün­de­ter Anspruch auf teil­wei­se Fort­zah­lung des Arbeits­ent­gelts. Zudem ist der die schwan­ge­re Arbeit­neh­me­rin beschäf­ti­gen­de Arbeit­ge­ber über das sog. U2-Ver­fah­ren an der Auf­brin­gung der Mit­tel für den Aus­gleich betei­ligt, § 1 Abs. 3, § 7 Abs. 1 AAG.

Aus­ge­hend von den Vor­schrif­ten des all­ge­mei­nen Schuld­rechts in Ver­bin­dung mit § 614 BGB gilt im Arbeits­ver­hält­nis der Grund­satz „ohne Arbeit kein Lohn“. Hät­te die schwan­ge­re Arbeit­neh­me­rin ohne die Schwan­ger­schaft im Bezugs­zeit­raum aus in ihrer Per­son lie­gen­den Grün­den und ohne Ein­grei­fen eines Ent­gelt­fort­zah­lungs­tat­be­stands ihre Arbeits­leis­tung nicht erbrin­gen kön­nen mit der Fol­ge, dass der Ent­gelt­an­spruch ent­fal­len wäre, hat sie kei­nen Anspruch auf Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld nach § 14 Abs. 1 MuSchG. In einem der­ar­ti­gen Fall sind die Beschäf­ti­gungs­ver­bo­te des § 3 Abs. 2 MuSchG und des § 6 Abs. 1 MuSchG nicht kau­sal für den durch den Zuschuss zum Mut­ter­schafts­geld aus­zu­glei­chen­den Verdienstausfall.

Für eine feh­len­de Kau­sa­li­tät muss der Arbeit­ge­ber zumin­dest Indi­zi­en vor­tra­gen, aus denen geschlos­sen wer­den kann, die aus der Eltern­zeit zurück­keh­ren­de Arbeit­neh­me­rin hät­te – die erneu­te Schwan­ger­schaft und das Ein­grei­fen der Beschäf­ti­gungs­ver­bo­te nach § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG hin­weg­ge­dacht – aus in ihrer Per­son lie­gen­den Grün­den die Arbeits­pflicht nicht bzw. nicht in dem geschul­de­ten zeit­li­chen Umfang erfül­len kön­nen. Einen all­ge­mei­nen Erfah­rungs­satz, eine Frau mit zwei Kin­dern im Alter von – damals – sechs und drei Jah­ren kön­ne einer Voll­zeit­be­schäf­ti­gung nicht nach­ge­hen, gibt es nicht.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG erhal­ten die dort genann­ten Frau­en einen Zuschuss in Höhe des Unter­schieds­be­trags zwi­schen 13,00 Euro und dem um die gesetz­li­chen Abzü­ge ver­min­der­ten durch­schnitt­li­chen kalen­der­täg­li­chen Arbeits­ent­gelt. Dabei ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG das durch­schnitt­li­che kalen­der­täg­li­che Arbeits­ent­gelt aus den letz­ten drei abge­rech­ne­ten Kalen­der­mo­na­ten vor Beginn der Schutz­frist nach § 3 Abs. 2 MuSchG zu berech­nen, wobei bei monat­li­cher Abrech­nung der Kalen­der­mo­nat mit jeweils 30 Tagen anzu­set­zen ist.

Nach dem Geset­zes­wort­laut und der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts müs­sen die letz­ten drei abge­rech­ne­ten Kalen­der­mo­na­te der Schutz­frist nicht unmit­tel­bar vor­an­ge­gan­gen sein. Auch bei einem mehr­jäh­ri­gen Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses ist die Arbeit­neh­me­rin nicht gehin­dert, auf den ent­spre­chen­den Zeit­raum vor der Unter­bre­chung abzu­stel­len und damit dau­er­haf­te Ver­dienst­er­hö­hun­gen, die sie ohne das Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses gehabt hät­te, bei der Berech­nung des Zuschus­ses zum Mut­ter­schafts­geld außer Betracht zu las­sen. Glei­cher­ma­ßen kann der Arbeit­ge­ber einer Berech­nung auf der Basis der letz­ten drei abge­rech­ne­ten Kalen­der­mo­na­te vor der Unter­bre­chung des Arbeits­ver­hält­nis­ses dau­er­haf­te Ver­dienst­kür­zun­gen, die ohne das Ruhen des Arbeits­ver­hält­nis­ses ein­ge­tre­ten wären, entgegenhalten.

Bun­des­ar­beits­ge­richt, Urteil vom 22. August 2012 – 5 AZR 652/11